10.02.2008 Uhr
 
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Neuer Glanz für altes Glas

Frankfurt (Oder) (ddp-lbg). Mit ruhiger Hand taucht Sandra Meinung den Stift mit der haardünnen Nadelspitze in den Zwei-Komponenten-Kleber. Dann lässt sie die zähflüssige Masse vorsichtig in den Spalt einer gesprungenen Glasscheibe laufen. Wer der 36-Jährigen auf die Finger sieht, ist schnell beeindruckt von Fingerspitzengefühl, Geschicklichkeit und Ausdauer. Auch durch neugierige Zuschauer lässt sich die Restauratorin in der gläsernen Werkstatt der Frankfurter Marienkirche nicht aus der Ruhe bringen.

«Ich habe schon immer gern gefummelt und gepuzzelt. Da bin ich stundenlang geduldig», sagt die Glasrestauratorin, die sich selbst als sehr genau und akkurat beschreibt. Meinung gehörte zum Restauratorenteam, das die drei mittelalterlichen Bleiglasfenster von St. Marien nach deren Rückkehr aus russischem Exil repariert, stabilisiert und geputzt hatte, bevor die 111 farbigen Mosaik-Scheiben mit den biblischen Motiven wieder an ihrem angestammten Platz im Chor der Marienkirche eingebaut wurden. «So ein großes Projekt ist in der Branche einmalig. Das passiert einem im Berufsleben nicht noch mal», ist sich die gebürtige Thüringerin sicher.

Nachdem die gläserne Bilderbibel 1941 aus Angst vor Kriegszerstörung ausgeglast und später als Beutekunst nach Russland verschleppt worden war, lagerte sie über Jahrzehnte in der St. Petersburger Eremitage. Erst nach zähen deutsch-russischen Verhandlungen und einem Duma-Beschluss waren die kunsthistorisch einzigartigen Fenster 2002 der Frankfurter Kirchengemeinde zurückgegeben worden.

Seit Sommer vergangenen Jahres sind die rund eine Million Euro teueren Restaurierungs-Arbeiten nun abgeschlossen, Meinungs Kolleginnen nach vier Jahren in ihre angestammten Restauratoren-Werkstätten zurückgekehrt. «Ich halte hier weiter die Stellung», sagt die blonde Erfurterin, die als einzige aus dem Team noch immer an der Oder arbeitet, nicht ohne Grund.

Denn die kostbaren Marienkirchfenster bestanden ursprünglich aus 117 Feldern, sechs verschollen geglaubte Scheiben wurden erst vor wenigen Jahren im Moskauer Puschkin-Museum wiederentdeckt. Die russische Regierung hat eine Rückgabe angekündigt, ohne bisher einen konkreten Termin zu nennen. So wie die Frankfurter Stadtverwaltung ist auch die Restauratorin optimistisch, dass die fehlenden Mosaikfelder noch in diesem Jahr an die Oder zurückkehren.

Die junge Restauratorin ist froh, «von Anfang bis zu Ende dabei sein zu können». Meinung gehörte zu jenen Experten, die die mittelalterlichen Glasmalereien im Juni 2002 vor ihrem Abtransport nach Deutschland in St. Petersburg begutachten konnten. Und sie wird wohl auch die sechs gläsernen Nachzügler aus Moskau abholen, um sie anschließend zu restaurieren.

Was während der eigentlichen Restaurierung der Marienkirchfenster in den vergangenen Jahren nicht möglich war, hat sie vor zwei Monaten wahr gemacht - eine Schau-Werkstatt im Märtyrer-Chor des Frankfurter Gotteshauses, in der Besucher erleben können, wie zerbrechliche Kunstwerke entstehen oder restauriert werden. Schautafeln an den Wänden informieren über Geschichte und Restaurierung von Kirche und Chorfenstern, in Schaukästen präsentiert Meinung Werkzeuge, farbige Glasmalproben, verschiedene Glasarten sowie Wissenswertes zur Entwicklung der Glasmalerei. Die «Wartezeit» vertreibt sich die Fachfrau mit kleineren Restaurierungs- und Neuanfertigungs-Aufträgen, so dass Besucher miterleben, wie Glas geschnitten und verlötet wird oder ein Bleinetz entsteht.

«Es ist schön, auch mal wieder andere, modernere Stilrichtungen vor sich zu haben - vor allem, wenn sie handwerklich gut gemacht sind», bekennt sie. Nach fast sechs Jahren «fast nur im Inneren der Marienkirche» finde sie endlich einmal Zeit, die Region kennen zu lernen. Einen richtigen Besucheransturm erhofft sich die Restauratorin, wenn die sechs fehlenden Marienkirch-Scheiben dann endlich auf ihrem Lichttisch in der Werkstatt liegen.

«Ich will, dass die Leute daran teilhaben und nachvollziehen können, warum diese Arbeit Zeit braucht», sagt sie. Persönlich hat Meinung die fehlenden Mosaiken in Moskau noch nicht in Augenschein nehmen können, doch anhand bisher veröffentlichter Fotos ist sie optimistisch, die Felder so restaurieren zu können, dass keine sichtbaren Schäden zurückbleiben.(ddp)

Quelle: freiepresse.de
 
 
   
 

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